In den letzten Wochen und Monaten haben wir uns viel mit Meditation beschäftigt. Unter anderem, weil wir sehr viel Zeit mit der Produktentwicklung des neu gelaunchten hejhej-bolsters verbracht haben. Er unterstützt deinen Meditationssitz und verschönert dein Meditationserlebnis. Gerade jetzt zu so wirbelnden Zeiten tut ein Innekehren, um die Situation von einer anderen Perspektive zu betrachten, wahnsinnig gut. Meditation und Yoga sind dabei für uns total spannende Tools. Probier’ es gerne aus!
Seit November 2022 haben wir nun auch ein klassisches rundes Meditationskissen: hejhej-pillow. Perfekt für einen Meditationssitz und um in deinem Körper anzukommen.
Mia ist leidenschaftliche Yoga Schülerin und Lehrerin und erzählt im Folgenden ihre persönlichen Erfahrungen aus einem 10 Tage Vipassana Schweige Retreat in Bayern. Du erfährst außerdem, warum Meditieren so nützlich ist, um deinen Geist zu stärken, es aber gleichzeitig nicht als alleiniges Tool ausreicht, um Probleme zu lösen und die Welt zu retten.
Herzlichen Dank Mia, dass du heute deine persönlichen Erfahrungen mit uns teilst. Zu aller erst, was versteht man denn unter einem Schweige Retreat bzw. genauer unter der Vipassana Meditation?
Meine Schweige Retreat Erfahrung fand im Dhamma Dvāra Vipassana Meditationszentrum in Triebel statt. Die Vipassana-Vereinigung ist ein anerkannter Verein, der durch ehrenamtliches Engagement und auf Spendenbasis die Kurse anbietet, um so den Nutzen der Meditation an die Öffentlichkeit zu tragen. Ziel eines 10-tägigen Meditationskurs bzw. Schweige Retreat ist es ohne Ablenkungen von Außen die Technik der Vipassana Meditation zu erlernen und zu erfahren.
In wie fern unterscheidet sich die Vipassana Meditation zur gewöhnlichen Meditation?
Bei den meisten Meditationstechniken geht es darum über den Atem oder die Rezitierung von Mantren den Geist zu konzentrieren und die Aufmerksamkeit auf einen Fokus zu lenken, um so Gedanken still werden zu lassen. Das Wort “Vipassana” bedeutet, die Dinge in einem selbst so zu sehen, wie sie wirklich sind. Man hat zu Beginn ebenfalls den Atem als Anker. Mit der geschärften Aufmerksamkeit beobachtet man dann körperliche Empfindungen. Kratzen, Pulsieren, Pochen, der Kontakt zum Boden, Berührung der Kleidung an bestimmten Körperstellen sollen als Zugang dienen, Unbeständigkeit als Gesetz der Natur und Wahrheit zu erkennen. Anicha, wie Goenka oft zitiert, ist das Gesetz der Natur welches besagt dass alles impermanent ist. Weder Ablehnung noch Verlangen nach einer Empfindung, Emotion oder Ereignis soll Gleichmut schaffen. Das heißt mit allem was im Inneren passiert okay zu sein und sich bewusst zu werden, dass alle Erfahrungen vergänglich sind egal wie schön oder schmerzhaft sie sind.
In meinem speziellen Retreat war es so, dass die Anleitung von Goenka gesprochen und über das Tape abgespielt wurde. Es war also keine geführte Meditation, sondern anfängliche Anleitungen, auf die ich mich während der Meditation fokussieren konnte.
Warum hast du dich dazu entschlossen 10 Tage lang in ein Schweige Retreat zu gehen und was waren deine Erwartungen?
Nachdem ich mich schon länger mit verschiedenen Meditationstechniken beschäftigt habe und seit einigen Jahren Meditation übe und viele Freund*innen habe, die den Kurs schon abgeschlossen haben, war mir danach. Zuvor habe ich ein Mal im Kloster über mehrere Tage geschwiegen. Jedoch war das selbst initiiert und ohne jeglichen Rahmen oder Vorgaben. Nach einem persönlich sehr intensiven Jahr war für mich klar, endlich nach Triebel in ein angeleitetes Schweige Retreat zu fahren.
Ich denke zu Beginn erhofft man sich aus solch einem Aufenthalt super viel – Ruhe, Gelassenheit, inneren Frieden, vielleicht sogar Problemlösung durchs Aussitzen. So ging es mir zumindest! Aber generell kann ich hier nur sagen: Desto mehr du dich von Erwartungen lösen kannst, desto eher kannst du dich auf das Erlebte einlassen und es annehmen. Und 10 Tage Schweigen bringt nicht nur Ruhe und inneren Frieden. So viel kann ich vorwegnehmen.
Wie sah deine Meditationsroutine davor aus und hast du dich gezielt darauf vorbereitet? Woher weiß ich, dass ich dafür bereit bin?
Durchaus unterschiedlich, aber regelmäßig – ich würde sagen, dass die Intention war, mich mindestens 20 Minuten täglich im Sitzen zu finden. Das klappte meistens sehr gut, manchmal kam einfach das Leben dazwischen und das ist voll ok. Ein Monat vor dem Kurs habe ich mich bemüht morgens und abends zu Sitzen. Ein paar Tage davor habe ich mich bereit gefühlt, aber da weder Körper noch Geist dafür gemacht sind so lange Zeit zu sitzen, wirst du ganz offensichtlich und gewollt auf Widerstände und Begrenzungen stoßen, egal wie deine Vorbereitung aussah.
Woher weißt du, dass du bereit bist? Egal wie lange du schon meditierst, es geht darum dich im Hier und Jetzt zu treffen und wahrzunehmen was ist – das kann jeder.
Wie genau sieht ein Tag während einem Schweige Retreat genau aus?
Von Kursbeginn an bis zum Morgen des letzten Kurstages muss die ‚noble silence‘ eingehalten werden. Das bedeutet: Stille von Körper, Sprache und Geist. Jede Art von Kommunikation mit Teilnehmer*innen wie Gesten, Zeichensprache oder Augenkontakt, ist nicht erlaubt. Ebenfalls ist keine Kommunikation nach draußen erlaubt. Du musst auf dem Schweige Retreat Gelände bleiben und darfst keine Lese- oder Schreibmaterialien verwenden. Meine hejhej-mat musste ich deshalb leider auch zuhause lassen. Die Strenge und Disziplin, die hier durch die vielen Regeln von dir verlangt wird, soll eine förderliche Atmosphäre in Zurückgezogenheit schaffen. Natürlich ist das zu manchen Zeiten sehr schwer, aber persönlich fand ich diese Rahmenbedingungen sehr hilfreich. Für gewöhnlich startet man um 4 Uhr früh in den Tag, dann wechselt es zwischen den festen drei Gruppenmeditation und freien Meditation. Mit freier Meditation meine ich, dass dir freigestellt wird ob du alleine auf dem Zimmer oder in der Meditationshalle meditieren möchtest. Nun kam für mich die Frage auf: mach ich das dann überhaupt auf dem Zimmer? Verrückt, aber ja. Irgendwie ist man ja dann doch da um genau das zu tun. Gegessen wird in den Zeiten dazwischen und es gibt kurze Pausen um sich auszuruhen oder alles andere zu tun was nicht unters Meditieren fällt.
Hast du praktische Tipps, um einen bequemen Meditationssitz vorzubereiten, mit dem man wirklich 10 Stunden am Tag in Ruhe sitzen kann?
Wie bereits angedeutet bin ich davon überzeugt, dass kein Körper dafür gemacht ist 10h täglich in derselben Sitzposition zu verharren. Dennoch ist es klug dir vorher Gedanken zu machen, was der bequemste Sitz für dich ist. Ich habe zwischen Vajrasana – Fersensitz und dem Klassiker Sukhasana – Schneidersitz gewechselt, in beiden Sitzen finde ich den Bolster oder das Meditationskissen sehr hilfreich. Ein Sitz reicht aber vollkommen und erspart dir das lange Überlegen bevor du anfängst zu meditieren. Probier‘ dich zuhause aus und arrangiere dein eigenes ‚Spaceship‘ mit Meditationskissen/-bank, Decken und noch mehr Bolstern.
Laut dem Philosophen Patanjali sind Asanas die Vorbereitung für einen guten Sitz deshalb ist eine regelmäßige Yogapraxis auf jeden Fall hilfreich. Generell war es in meinem Schweige Retreat aber verboten in der Zeit andere Sportarten inklusive Yoga auszuführen. Es wird dir aber keiner die Seitbeugen, Twists und kleineren Dehnungen auf deinem Zimmer verbieten. Doch machen sie einen Unterschied. Ausschütteln und viel Gehen, auch in den kleineren Pausen, waren mein saving grace.
Hattest du einmal den Gedanken, dass du das ganze Abbrechen möchtest oder war es von Anfang an klar, dass du wirklich die 10 Tage Schweige Retreat durchziehst?
Bevor der Kurs startet musst du dich mehrmals bei der Anmeldung online, wie auch vor Ort schriftlich bereit erklären über den gesamten Zeitraum des Kurses zu bleiben. Ich bin also mit der Einstellung gegangen den Kurs auch abzuschließen – natürlich mit ein paar Zweifeln und Ängsten.
Ehrlich gesagt hatte ich nie den Gedanken alles hinzuschmeißen. Viel zu lange habe ich darauf gewartet den Platz zu bekommen und mein Leben drum herum zu organisieren. Das Bleiben war zwischenzeitlich auch einfach von praktischen Gründen motiviert. Damit möchte ich aber nicht sagen, dass du nie daran denken wirst, wie es sein könnte zu gehen – da war ich oft.
Größtenteils war es keine angenehme Erfahrung aber wie mir ein Freund kurz vorher noch sagte: ‘It’s just another experience that you come out of and will be ok’.
Was war für dich das wichtigste Learning, dass du durch diese Tage in Stille gelernt hast?
Ausdrücken, bewegen, lachen, voll leben zu können und dürfen. Das, und in Stille zu gehen, als Privileg ansehen.
Und jetzt, meditierst du weiter jeden Tag? Wie siehst du das Werkzeug der Meditation nach deinem Aufenthalt in einem Schweige Retreat?
Ja, wie davor meditiere ich wieder täglich und mache es mir auf meiner hejhej-mat gemütlich. Was sich verändert hat ist die tiefe Erfahrung, an die ich jetzt anknüpfen kann. Gehen möchte ich wieder, ob das schon nächstes Jahr ist oder in fünf weiß ich noch nicht.
Meditation ersetzt für mich nicht die Auseinandersetzung oder einen Konflikt zu erleben, sei es mit mir selbst oder in Beziehung zu anderen. Was es tut, ist Raum geben – Rückzug schaffen und das konnten Triebel und die Gegebenheiten dort ganz gut.
Würdest du sagen, dass es jetzt bezüglich der aktuellen Situation auf der Welt genau das richtige ist in Stille zu gehen und einmal richtig in sich hinein zu spüren oder kann es vielleicht auch zu intensiv werden?
Achtsamkeit zu üben ist ein Skill. Durch Meditation trainierst du deinen Geist für stressige Momente und baust Resilienz auf. In vielen Fällen ist ein untrainierter Geist kein guter Buddy, da wir uns ohne Meditation wahrscheinlicher mit dem Erlebten, dem Gedanken oder der Emotion identifizieren. Meditation erlaubt, das zu lenken und erhöht das Bewusstsein darüber, dass wir eine Wahl haben. Eine Wahl, womit wir uns auseinandersetzen, und wie viel wir tragen können.
Wenn wir effektiv eine Unterstützung für Andere sein wollen, hilft es sich für den Moment von Emotionen lösen zu können, vor allem wenn sie nicht länger hilfreich sind wie z.B. in langandauernden Extremsituationen wie einer Pandemie.
Disclaimer: für die Verarbeitung von Traumata ist dieser Kurs nicht empfehlenswert, da es kein geschultes Personal vor Ort gibt.
Gerade jetzt ist es nämlich essentiell sich politisch zu positionieren. „Focus on the positive“ und “We are all one” zieht global gesehen nicht. Diese Haltung fördert Täuschung und einen falschen sonnigen Ausblick. Es gibt Menschen, die in dieser Welt aufgrund verschiedener Indikatoren unterschiedlich behandelt werden. Wenn wir diese Probleme nicht als Problem ansehen und gar ignorieren, verstärken wir sie noch mehr, weil wir nichts dagegen tun. Wenn du dich nur auf Positives fokussierst, vermeidest du Negatives was dem Ganzen allerdings nur Nährboden gibt. Es ist so dringend zu verstehen, dass wir leider nicht alle gleich sind und dass wir aktiv etwas dafür tun müssen, um irgendwann gleich zu stehen. Neutrales Verhalten bedeutet, man steht auf der Seite der Unterdrückenden. Frieden wird nicht durch Neutralität gelebt, sondern durch Mut und Einsatz/Engagement.
Meditation endet nicht mit dem Gong. Eigentlich ganz im Gegenteil. Sie hilft uns nach außen zu gehen und das Leben durch uns leben zu lassen.
Herzlichen Dank für diese Schlussfolgerung und den Bezug zur aktuellen Zeit, Mia. Deine Worte haben uns sehr inspiriert. Danke auch, dass du deine sehr persönliche Vipassana-Erfahrung mit uns geteilt hast.
Foto Credits zweites und drittes Bild: Marlen Albrecht @goldmarlen