Erfahre in diesem Artikel mehr über Yoga für Menschen mit Behinderung.

Yoga für Menschen mit Behinderung - Gastartikel von Lena Braun

Yoga und Verdauung – Asanas für einen gesunden Darm Du liest Yoga für Menschen mit Behinderung - Gastartikel von Lena Braun 17 Minuten Weiter Yoga und Nachhaltigkeit - Du und die Niyamas

Wir sind ganz stolz euch hier einen so wertvollen Artikel über Yoga für Menschen mit Behinderung von Lena Braun zum Lesen zu geben. Es geht dabei viel mehr als um Menschen mit Behinderung, es geht auch um Einschränkungen im Allgemeinen und wahrscheinlich auch um dich. Denn nicht alle Asanas können von der Person ausgeführt werden. Hier lernst du wie du am besten bei deinem Yoga Angebot oder auch in einer Yoga Stunde selbst damit umgehen kannst. Außerdem erklärt dir Lena einigen aus wissenschaftlicher Sicht. Auch wir sind wieder einmal verzaubert von der Heilwirkung von Yoga. Viel Spaß beim Lesen und Lernen!

Ich heiße Lena, bin Physiotherapeutin und habe mich auf dem Gebiet der Neuroorthopädie spezialisiert. Das bedeutet ich arbeite überwiegend mit Kindern und Erwachsenen, die angeborene oder erworbene neurologische Erkrankungen haben. Yoga bildet dabei für mich ein Fundament für meine therapeutische Praxis. Ich unterrichte Yoga im 1:1 Setting und in Kleingruppen und bin immer wieder fasziniert, was die Teilnehmer:innen über den Effekt der Kombination von Bewegung, Atmung und Fokussierung berichten. Deshalb möchte ich darüber erzählen, wie man Yoga für alle zugänglich machen kann. Ängste nehmen und Kreativität in der Yoga Praxis fördern.

Was bedeutet Yoga für mich

Betrachtet man Yoga von außen, geht es viel um die körperliche Bewegung. Mittlerweile dürften aber viele verstanden haben, dass es um mehr als nur das Finden einer perfekten Pose geht. Hand aufs Herz, es fällt schwer mit den Gedanken auf der eigenen Matte zu bleiben und die eigenen Bewegungen ohne ständige Bewertung anzunehmen, oder? Dabei geht der eigentliche Gedanke von Yoga schnell verloren.

Wie wirkt all dies, wenn man sich von vornherein nicht so bewegen kann wie man möchte? Wenn ich nicht in der Lage bin meinen Körper so zu steuern, wie ich es möchte? Was passiert im Yoga, wenn ich nicht in der Lage bin ständig meine Körperposition zu wechseln? Kann ich Yoga überhaupt machen, wenn ich für den herabschauenden Hund nicht aus meinem Rollstuhl aufstehen kann? Aus dieser Perspektive wirkt Yoga nicht besonders leicht zugänglich.

Es geht um viel mehr als um Yoga für Menschen mit Behinderung

Betrachtet man Yoga aus der Sicht von Menschen mit einer Behinderung ergeben sich oft viele Hürden, bevor man an einem Yoga Kurs in einem Studio teilnimmt. Abgesehen von der seltenen Barrierefreiheit der Eingänge, Kursräume oder Umkleiden, haben Yoga Lehrer:Innen oftmals nicht genügend Erfahrung, um Menschen mit körperlichen Einschränkungen in die Stunde zu integrieren. Somit entstehen oft Unsicherheiten sowohl auf der Seite der Lehrer:innen als auch auf der Seite der Schüler:innen. Ich möchte an dieser Stelle ergänzen, dass ich denke, dass nicht nur Menschen mit konkreten Bewegungseinschränkungen Hemmungen haben ein Yoga Studio zu besuchen, sondern auch Menschen, die nicht der „medialen Yoga Norm“ entsprechen. Menschen mit Übergewicht, Menschen die sich selbst für unsportlich oder ungelenkig halten. Menschen die Ängste habe, dass eine Asana auch nach der dritten Yoga Einheit nicht perfekt aussieht. Dabei wissen wir doch eigentlich längst, dass es im Yoga um das „Innen“ nicht das „Außen“ geht. Dieser Artikel soll dazu ermutigen sich auszuprobieren. Die yogische Philosophie stellt eine ganz andere Wahrheit der Yoga Praxis dar. Im Yoga geht es um dich und nicht um die Perfektion der einzelnen Positionen.

Eine Frau macht eine Vorbeuge auf einem Stuhl und hat zur Unterstützung den hejhej-bolster unter ihrem Oberkörper.

Yoga Philosophie

Yoga bedeutet für mich neue Bewegungen auszuprobieren. Neue Bewegungen zuzulassen und damit aus deiner Komfortzone zu gehen. Dabei hat jeder seine eigene Movement Komfortzone. Es ist egal, ob du dich ungelenkig fühlst, du dich aufgrund einer Erkrankung nur eingeschränkt bewegen kannst, oder ob dich Ängste und negative Erfahrungen daran hindern eine Bewegung auszuführen. Jeder Mensch hat unterschiedliche Bewegungserfahrungen in seinem Leben gemacht, jeder Mensch hat unterschiedliche anatomische Voraussetzungen. Damit hat jeder auch ein anderes Ausgangslevel.

Was alle haben, ist das Potential neue Bewegungen auszuprobieren, aus der Komfortzone heraus neues zu lernen. Und dabei geht es nicht um das Lernen von komplexen, schweren Asanas sondern um kleine Bewegungen. Die es dir vielleicht ermöglichen die Atmung besser wahrzunehmen.

Yoga nimmt den Weg zurück. Das bedeutet Yoga geht von grob zu fein und von außen nach innen. Dieses Prinzip lässt sich auf die Bewegung runterbrechen. Anstatt eine große Bewegung im Kopf zu haben, die im Außen für alle sichtbar ist, geht es darum kleine Bewegungen für dich selbst spürbar zu machen. Zum Beispiel die Atembewegung wahrzunehmen, die Bewegung deiner Schultern und deiner Hüfte zu spüren.

Im nächsten Schritt geht es darum die Bewegung einfach zuzulassen, ohne ständig zu bewerten, ohne zu viel darüber nachzudenken. Unser Gehirn denkt nicht über jeden Bewegungsschritt einzeln nach. Das Gehirn sieht ein Bewegungsziel, hat eine Motivation, einen Antrieb es zu erreichen und führt die Handlung aus. Anstatt einfach auszuprobieren, bremsen wir uns durch Gedanken wie: „Ich kann das nicht.“; „Das habe ich noch nie gemacht“ usw. immer wieder selbst aus. So entsteht kein Vertrauen zu unserem eigenen Körper.

Neue Bewegungen sind erstmal ungewohnt, so wie neue Handlungen, Orte oder Einstellungen erstmal beunruhigend sein können. Aber bleibe ich immer bei meinen gewohnten Bewegungsmustern, bekommt mein Gehirn keinen Input neues auszuprobieren.

Damit eine Bewegung richtig ausgeführt werden kann, braucht es die Aufmerksamkeit auf die Bewegung selbst. Bin ich mit den Gedanken gerade beim nächsten Einkauf, oder dabei meine:n Nachbar:in auf dessen Yoga Matte zu beobachten, kann ich mit Sicherheit davon ausgehen, dass ich mich nicht noch gleichzeitig auf meine Bewegung, geschweige denn meine Atmung konzentrieren kann.

Aus medizinischer Sicht

Yoga bietet für Menschen mit Behinderung, also körperlichen Einschränkungen oder neurologischen Erkrankungen, viele positive Effekte.

Gothe et al. 2019 stellten ein Review der aktuellen Literatur zum Thema „Yoga Effekte auf die Gesundheit des Gehirns“ zusammen. Sie konnten herausarbeiten, dass Yoga einen Einfluss auf die Funktion verschiedener Hirnstrukturen nehmen kann. Z.B. auf die Aktivität des präfrontalen Kortex. Dieser empfängt sensorische Signale und spielt eine Rolle in der gerichteten Aufmerksamkeit und bei der Organisation von komplexen Handlungen. Zudem kann Yoga einen Einfluss auf den Hippocampus haben. Hier findet u.a. die Gedächtnisbildung und die räumlichen Orientierung statt. Im Hippocampus findet außerdem lebenslang Neurogenese statt. Das bedeutet hier werden neue Nervenzellen gebildet. Eine 12-wöchige Yoga Praxis (3x pro Woche für 60 Minuten) führte bei den Probanden zu einer Verbesserung der Stimmung und Verringerung der Angstgefühle. Ursache hierfür ist der Anstieg des Neurotransmitters GABA im Thalamus (vgl. Streeter el a. 2010).

Eine Frau macht Yoga in ihrem Rollstuhl und wird dabei von einer anderen Frau unterstützt.

Yoga als Therapie

Durch die Kombination von Meditation, Atmung und körperlicher Bewegung kann Yoga uns dabei unterstützen die Aufmerksamkeit zu steigern und damit auch die Organisation von komplexer Handlung. Therapeutisch werden diese Fähigkeiten benötigt, um neue Bewegungen zu lernen und neue Handlungsabläufe zu integrieren. Menschen mit Behinderung haben oftmals eine herabgesetzte körperliche Wahrnehmung. Das bedeutet sie könnten z.B. nicht mit geschlossenen Augen sagen, in welcher Position sich ihr Fuß oder ihre Hand gerade befindet. Oder ob man gerade den großen Zeh oder den Fußrücken berührt. Es ist eine physiologische Reaktion, dass unser Gehirn Körperareale ausblendet, welche wir nicht oft benutzen. Nach dem Motto „use it or lose it“. Ist das Körperareal wenig präsent im Gehirn, ist die Wahrnehmung gleichzeitig herabgesetzt. Dies passiert übrigens auch bei Menschen mit chronischen Schmerzsyndromen. Bei Patienten mit langjährigen Rückenschmerzen ist ebenfalls die Wahrnehmung des Rückens und der umliegenden Muskulatur herabgesetzt. Eine Art Schutzmechanismus des Gehirns, damit die Wahrnehmung des Schmerzes nicht ständig so präsent ist. Das bedeutet umgekehrt jedoch auch, dass manche Bewegungsaufträge einer Yoga Asana bei den Teilnehmer:Innen nicht ankommen. Weil diese die Wahrnehmung dafür oftmals nicht haben. Häufig passiert das z.B. bei der Ausrichtung des Beckens während einer Asana. Vielen Teilnehmer:innen fällt die isolierte Bewegung des Beckens schwer. Deshalb lernen Yoga Lehrer:innen in der Ausbildung mit den Händen zu adjusten (engl. anpassen, justieren). Dies ist nichts anderes als den Teilnehmer:innen etwas mehr Input und damit Wahrnehmung zu geben um die Körperposition einzunehmen.

Viele Menschen haben Schwierigkeiten ihren Körper richtig wahrzunehmen und damit Bewegungen umzusetzen. Nicht nur Menschen mit konkreten körperlichen Einschränkungen oder Behinderungen. Jeder braucht eine Form von Anpassung der Yoga Asanas. Weil jeder Körper anders aussieht und individuell von innen heraus wahrgenommen wird.

Es ist wichtig die Bewegung die mein Körper ausführen kann, auch täglich zu üben. Nur das was ich benutze, wird auch in meinem Gehirn abgespeichert. Darauf kann ich zurückgreifen.

Besonders für Menschen mit körperlichen Einschränkungen ist es wichtig die Bewegungsaspekte zu erhalten die ihnen möglich sind. Denn oftmals ist es die Mobilität, die ihnen Selbständigkeit und eine Teilhabe im Alltag ermöglichen.

Yoga für Menschen mit Behinderung bzw. Beeinträchtigung

Da Yoga über eine rein körperliche Praxis hinaus geht, bietet es insbesondere für Menschen mit Bewegungsschwierigkeiten eine ideale Grundlage. Denn das mindset, die Einstellung zum eigenen Körper ist enorm wichtig. Zu lernen den eigenen Körper wahrzunehmen, ihn anzunehmen wie er ist und die Atmung zu spüren. Zu spüren, dass man selbst die Kontrolle hat. Dabei geht es nicht um die Kontrolle von komplexen Asanas. Im ersten Schritt geht es darum die Atmung zu kontrollieren. Zu lernen, dass man selbst einen Einfluss auf die Atmung hat und die Atmung wiederum die eigenen Gedanken beeinflussen. Ohne ständig zu bewerten was und wie ich etwas tue.

Dauerhaft auf einen Rollstuhl angewiesen zu sein, bedeutet oftmals nicht die Möglichkeiten zu haben die Körperposition beliebig zu verändern. Die Limitierung der Bewegung kommt oftmals durch die Erkrankung selbst. Die Atmung und damit die Bewegung des Zwerchfells kann sich für die Betroffenen schon wie eine Bewegungserweiterung anfühlen. Bewegungserfahrung bringt immer Informationen über den Körper und die Positionen der Gelenke ans Gehirn. Hier werden sie verarbeitet und mit Hilfe dieser Informationen können Bewegungen angepasst oder initiiert werden. Liefert diese sensorische Bahn zum Gehirn nur einen Teil der Informationen, kann die Wahrnehmung der eigenen Bewegungen fehlerhaft sein. Der Arm kann sich zum Beispiel gestreckt anfühlen, obwohl er es eigentlich gar nicht ist. Der Rücken kann sich aufrecht und gerade anfühlen, obwohl er es eigentlich gar nicht ist. Adjustments oder eine visuelle Kontrolle ist dabei sehr hilfreich.

Asanas für alle

Nicht jeder Körper ist in der Lage alle Yoga Asanas durchzuführen. Asanas werden im Yoga von „unten nach oben“ aufgebaut und von „leicht zu komplex“ gesteigert. Hält man sich an dieses Muster, kann man Menschen mit unterschiedlichen Bewegungsproblemen integrieren. Von unten nach oben bedeutet, dass es eine feste Basis gibt auf die aufgebaut wird. Bei stehenden Positionen sind dies die Füße. Für Menschen die nicht stehen können und stattdessen sitzen, wäre es im dem Fall das Becken (Sitzbeinhöcker). Ist diese Basis gegeben können andere Qualitäten der Bewegung hinzukommen. Die bewusste Atmung gezielte Armbewegungen können dann dazukommen.

Ein weiteres Prinzip für die Anpassung von Asanas ist von körperfernen Bewegungen zu körpernah oder rumpfnahen Bewegungen zu gelangen. Oftmals sind diese Bewegungen für Menschen mit körperlichen Einschränkungen leichter umzusetzen. Habe ich Teilnehmer:innen im Kurs, die kein freies Bewegungsausmaß in den Armen zeigen, kann ich die Bewegung über die Schultern einleiten.

Sthira sukham asanam

Im Vers 2.46 des Yoga Sutra beschreibt Patanjali: „Sthira sukham asanam“. Man kann es übersetzen als: „Eine Körperhaltung sollte stabil und angenehm sein.“ Diese beiden Aspekte, für manche vielleicht Gegensätze, gilt es zu vereinen. Die Stabilität erfolgt durch ein stabiles Fundament der Bewegung. Das angenehme Gefühl entsteht durch die Konzentration auf die Atmung. Es geht also nicht darum komplexe Positionen einzunehmen, sondern in die Körperhaltungen zu gehen, in denen ich es schaffe entspannt weiter zu atmen und die Konzentration allein darauf zu lenken.

Wirkungen der Asanas

Vorbeuge

Als Yogalehrer:in solltest du dir immer bewusst darüber sein, welche Qualitäten, welche energetische Wirkung die Asana hat, die du praktizieren möchtest. Nehmen wir z.B. Vorbeugen. Vorbeugen stehen im Yoga für Hingabe und Loslassen. Ob die Vorbeuge nun aus dem Stehen oder dem Sitzen heraus praktiziere, ändert nichts an der Qualität der Asana. Hingabe und Loslassen ist unabhängig von der Ausgangsstellung. Aber vielleicht bedarf es Hilfsmittel wie einem Yoga Block oder Yoga Bolster, damit die Teilnehmer:innen sich dort im Vertrauen nach vorne sinken lassen können. Das Kinn zum Brustkorb bringen und den Kopf entspannt hängen lassen, Kiefer und Zunge zu entspannen, kann je nach Bewegungseinschränkung schon eine maximale Vorbeuge sein.

Eine Frau sitz in ihrem Rollstuhl und lehnt sich über den hejhej-bolster

Standhaltung

Stehende Positionen werden mit dem ersten Chakra in Verbindung gebracht. Stehende Positionen fordern Halt, Sicherheit und Stabilität. Manche Yogis müssen bis zum Krieger III geführt werden, um zu spüren, dass sie Balance aufbauen müssen. Bei anderen kann es ausreichen in sitzender Position auf einem Stuhl den Oberkörper weit nach vorne, rechts oder links zu neigen. In beiden Variationen wird das erste Chakra angesprochen, an der energetischen Qualität ändert sich nichts. Das Gleichgewichtssystem und die stabilisierende Muskulatur werden aktiv, um die Balance zu halten. Das Gefühl von Erdung wird spürbar.

Eine Frau sitzt im Rollstuhl und stretcht ihren Rücken mit dem hejhej-strap

Krieger I

Am Beispiel des Krieger I (Virabhadrasana A) möchte ich kurz erklären wie du eine Asana für alle zugänglich machen kannst. Nehmen wir zuerst das Prinzip „von unten nach oben“. Eine stabile Basis muss gegeben sein. Ob stehend, sitzend, mit Anlehnen an der Wand ist hierbei nicht von Bedeutung. Das Becken ist dabei nach vorne ausgerichtet, die Knie und Füße zeigen beide nach vorne, unabhängig von der Ausgangsposition. Auf diesem stabilen Fundament ist der Oberkörper aufgerichtet. Die Hände sind in Namaste vor dem Brustkorb. Mit der Einatmung werden die Arme Richtung Decke gestreckt. Das Prinzip „von körpernah zu körperfern“ kann dir jetzt helfen weitere Anpassungen vorzunehmen. Ist es nicht möglich die Arme zu strecken (körperfern), bleiben die Hände vor dem Brustkorb (körpernah). Bewegungen weg vom Körper sind oftmals schwerer zu stabilisieren, es braucht mehr Muskelkraft und Koordination, um solche Bewegungen auszuführen. Mit der Einatmung wird Länge erzeugt, unabhängig davon, ob die Hände Richtung Decke ziehen oder in der Variation der Kopf als höchster Punkt Richtung Decke wächst. Das Gefühl von Erdung, die Aktivierung von Mula Bandha, die Atmung die durch den Körper fließt hängt nicht davon ab, wie hoch die Arme Richtung Decke gehen. Der energetische Effekt des Krieger I bleibt unabhängig von Ausgangsstellung und Variation der Asana spürbar.

Variante des Krieger I im Rollstuhl

Krieger II

In Gedanken wechseln wir von Virabhandrasana A zu B. Beginnen wir wieder von unten nach oben. Die Grundposition der Füße und Hüfte ändert sich. Der vordere Fuß zeigt nach vorne, der hintere ist im ca. 45° Winkel aufgestellt, die Hüfte ist dadurch parallel zum langen Mattenrand ausgerichtet. Die Alternative zum freien Stehen ist z.B. das Sitzen auf dem Stuhl. Wenn es möglich ist seitlich sitzend, um die Hüfte parallel auszurichten. Mit einer Hand kann sich an der Stuhllehne festgehalten werden. Ist es nicht möglich die Hüftposition zu verändern, bildet der stabile Sitz z.B. im Rollstuhl die Basis für den weiteren Aufbau der Asana. Körpernah ist nun darauf zu achten, dass Mula Bandha aktiv ist und das Becken so gekippt, dass kein Holkreuz entsteht. Der Oberkörper ist lang und aufgerichtet. Die Arme sind seitlich auf Schulterhöhe ausgestreckt. Können die Arme nicht gehoben werden, bildet der Schultergürtel als körpernaher Punkt eine Alternative. Mit der Einatmung folgt die Konzentration auf die Länge in den Armen. Alternativ liegt der Fokus bei der Einatmung auf der Weite im Brustkorb.

Ziel ist es den energetischen Effekt für die Praktizierenden spürbar zu machen. Durch die körperliche Bewegung ist es oftmals einfacherer möglich diese Gefühle zu vermitteln, aber manchmal sind es auch die Vorstellungen oder die Gedanken, die uns helfen diesen energetischen Effekt fühlbar zu machen.

Sonnengruß

Auch der Sonnengruß mit dem Flow aus Vorbeugen, Rückbeugen und Umkehrhaltungen hat verschiedene Qualitäten, die sich auch auf einem Stuhl oder an der Wand praktizieren lassen. Kreativität, Vertrauen und Mut hilft dir die Flows anzupassen. Die Grundlagen wie das Alignement der Asanas sollte dabei jedoch nicht überworfen werden, denn es bildet die Basis um Abstufungen anleiten zu können. Variationen erfolgen durch eine unterschiedliche Ausgangsstellung (Sitz auf dem Stuhl oder Boden, Anlehnen an eine Wand) und dem Prinzip „von körpernah zu körperfern“.

Bei Yoga Menschen mit Behinderung bzw. neurologischen Erkrankungen ist es besonders wichtig präzise Anleitung zu geben. Das Bewegungsziel muss klar formuliert sein, um den Betroffenen Sicherheit in ihrer Bewegung zu geben. Wichtig für die Bewegungsplanung im Gehirn ist, dass die Bewegungen vorstellbar sind. Das Ziel sollte also nicht überfordern sein, sondern die richtige innere Motivation hervorrufen. Um den sensorischen Input zu verstärken, ist es hilfreich zu adjusten und damit ein Gefühl der Bewegung zu vermitteln. Ohne Bewegungsziel, ohne Motivation und Input entsteht keine Bewegungsplanung im Gehirn und besonders Menschen mit körperlichen Einschränkungen haben Schwierigkeiten die Handlung auszuführen.

Umsetzung in der Praxis

Natürlich ist es keine leichte Aufgabe eine Yoga Einheit so aufzubauen, dass jedes Bewegungslevel ähnlich intensiv erreicht wird. Einsteigerkurse sollten so aufgebaut und vermittelt werden, dass wirklich jeder die Chance hat daran teilzunehmen. Eine 1:1 Session zu Beginn der Yoga Praxis bietet immer einen guten Einstieg. Lehrer:in und Schüler:in lernen sich kennen, Variationen zu einzelnen Asanas können besprochen werden und so in den regulären Stunden einfacher umgesetzt werden. Es sollte offen über die körperlichen Bewegungseinschränkungen gesprochen werden, damit mögliche Asana Variationen auch machbar und passend sind, nicht überfordern und demotivieren. Dies schafft Vertrauen und Sicherheit innerhalb einer Yoga Stunde. Deshalb ist eine vertrauensvolle Kommunikation zwischen Lehrer:innen und Schüler:innen essenziell.

Es ist wichtig die Grundlagen der Yoga Praxis zu vermitteln und Vorstellungen und Erwartungen erstmal auf den eigenen inneren Kern zu konzentrieren. Bewegung und Atmung langsam zu steigern und die Möglichkeit bieten sich selbst kennenzulernen. Als Yogalehrer:in schaffst du das Fundament und die Sicherheit, dass Menschen neue Bewegungen lernen, sich mit der Atmung verbinden und ein anderes energetisches Level erreichen. Denn es wird nicht nur an den Möglichkeiten der körperlichen Bewegung gearbeitet, sondern auch an neuen Glaubenssätzen. Neuer Verbundenheit mit sich selbst, einer neuen Wahrnehmung des eigenen Körpers. Und der Erkenntnis, dass Atmung und Gedanken einen Einfluss auf unsere Bewegung haben und umgekehrt durch Bewegung die Atmung und Gedanken beeinflusst werden. Unabhängig von körperlichen Bewegungsmöglichkeiten.

ana.akazi ist mein Herzensprojekt, das sich momentan nach und nach entwickelt. Aus der Idee heraus Menschen mit unterschiedlichen Bewegungsproblemen einen Zugang zu Yoga zu ermöglichen. Yoga für alle spürbar zu machen. Momentan arbeiten wir an Yoga Karten mit verschiedenen Asana Variationen. Zum selbst Praktizieren zu Hause oder als Ideensammlung für Yogalehrer:innen.

Ich freue mich, wenn ich dich dazu ermutigen kann, Yoga für alle zugänglich zu machen.

Wir danken dir Lena für deine wertvollen Informationen und dem ausführlichen Schreiben in diesem Artikel!

Die Yogapraxis für alle zugänglich zu machen liegt uns sehr am Herzen. Wir haben einen weiteren Blogartikel über Barrierefreies Yoga von Katja Sandschneider, der dich hier bestimmt auch sehr interessieren könnte. Sie erzählt von ihrem so inspirierenden Weg und wie sie ihre Yogarichtung gefunden hat. Wenn du einmal selbst online mit ihr Yoga machen möchtest schau gern mal auf unserem Youtube Kanal vorbei: Sonnengruß auf dem Stuhl.

Foto Credits: Isabel Winckler